Die aktuelle Täuschung
Pädophilie wird von allen verantwortungsvollen Menschen aller Religionen als ein Verbrechen Kindern gegenüber scharf abgelehnt, von den evangelischen Christen genauso wie von den katholischen Christen und vom Papst. Und doch trägt an dieser augenblicklichen Schwemme an Pädophiliefällen, verjährten und noch nicht verjährten, Papst Benedikt in besonderem Maße die Schuld. Wieso?
Was das in diesen Tagen gegebene Schauspiel der irischen Bischöfe betrifft, die in Rom beim Papst sich »entschuldigen« für ihre jahrzehntelange Vertuschung der Pädophiliefälle und die jetzt »reuig« Rat suchen beim Heiligen Vater und die als »Scheinheilige« bezeichnet werden – so vom Spiegel Nummer 6 vom 8. Februar 2010 auf dem widerwärtigen Titelblatt mit einem Bischof und seiner unzüchtigen Handbewegung, als ob die Bischöfe selbst pädophiler Verbrechen sich schuldig gemacht hätten –, so ist das eine einzige Irreführung der Menschheit. In der 20-Uhr-Tagesschau am 16. Februar 2010 sah man die vielen irischen Bischöfe an einem großen Tisch mit dem Papst zusammensitzen. Der Papst betonte die besondere Verabscheuungswürdigkeit der Pädophilie und bedauerte die vielen Fälle in Irland. Er will in Kürze einen Brief an die Iren schreiben und Hilfe für die Betroffenen anregen. Die »reuigen« Bischöfe stimmten in allem zu. Der Fernsehzuschauer hatte den Eindruck eines gemütlichen Kaffeetrinkens unter Freunden, auf dem Tisch fehlte nur der Kuchen. Die Szene in den ARD-Fernsehnachrichten paßte nicht zu einem Bußgang von sündigen Bischöfen, denen der Papst die Leviten lesen wird. Die Rede ist jetzt von den zwei lateinischen Geheimschreiben, die im Tresor jedes Bischofs verschlossen liegen. Das erste stammt von Kardinal Ottaviani von 1962 und heißt: Crimen sollicitationis (Verführung zu sexuellen Handlungen). Das zweite stammt von Kardinal Ratzinger, ist aus dem Jahr 2001 und heißt: De delictis gravioribus (Von den schwersten Verbrechen). In diesen beiden Geheimschreiben wird die »ausschließliche Kompetenz des Vatikans«, was Pädophiliefälle anbelangt, betont und werden sämtliche Bischöfe unter Strafe der Exkommunikation aufgefordert, alle Pädophiliefälle ausschließlich und nur an den Vatikan zu melden. Das führt zu einer totalen Justizbehinderung für die staatlichen Gerichte, zu einer ständigen Versetzung der pädophilen Priester, die über Jahrzehnte hinweg an jedem Ort, an den sie von ihrem Bischof – nach einer sogenannten »Therapie« – versetzt wurden, ihr Unwesen weitertreiben und immer weitertreiben werden. Und genau diese Geheimschreiben hatten die irischen Bischöfe ja auch befolgt. Von einem Bußgang, wie gesagt, war in den ARD-Fernsehnachrichten am 16. Februar auch wirklich nichts zu spüren. Es fielen bei dieser Kaffeeklatschrunde der Bischöfe mit dem Papst einige ermahnende Worte des Papstes gegen Pädophilie, denen die Iren wie jeder normale Mensch selbstverständlich zustimmten. Alle Hirten waren sich einig. Und es kommt ja auch demnächst ein Brief des Papstes über Hilfe für die Betroffenen. Das ist natürlich schön, daß der Papst einen Brief mit Hilfe ankündigt – denn von Hilfe für die Betroffenen steht in den Geheimschreiben, die weiterhin unter Strafe der Exkommunikation von den irischen und allen anderen Bischöfen zu beachten sind, kein einziges Wort. Und die päpstliche Hilfe kommt deswegen nur denjenigen zugute, deren Schicksal an die Öffentlichkeit zu gelangen droht. Denn Schweigegeld haben die Bischöfe in extremen Fällen immer einigen Opfern gezahlt, wenn es der Geheimhaltung diente.Die beiden Geheimschreiben
Ich möchte allen empfehlen, sich den BBC-Film »Sex Crimes and Vatican« (Oktober 2006) von dem BBC-Reporter Colm O’Gorman (der als 14jähriger in Irland von einem Priester vergewaltigt worden war) auf YouTube im Internet anzuschauen, da er in Deutschland – dank unseren katholischen Bischöfen – nicht gezeigt werden darf. Wer sich diesen Film ansieht, dem wird klar, welches Täuschungsmanöver hier im Gang ist – um das Ansehen der katholischen Kirche und des Papstes nicht zu beschädigen, der, nachdem er seit 1981 als Chef der Glaubenskongregation (früher »Inquisition« genannt) das Geheimschreiben Kardinal Ottavianis von 1962 eingeschärft hatte, 2001 sein eigenes Geheimschreiben De delictis gravioribus allen Bischöfen zusandte. Die erschütterndste Szene in diesem Film spielte sich 2002 in Mittelbrasilien ab. Dona Elza da Silva, Großmutter des damals fünfjährigen Warly in einem der ärmsten Winkel der Welt, erzählt dem Reporter, daß ihr Warly sich das Leben nehmen will, weil alle Kinder ihm nachrufen: »Des Priesters kleine Frau«. Daß er von dem Priester Tarcisio, der kürzlich in der Nachbarschaft einzog, vergewaltigt wurde. Daß sie das dem Bischof gemeldet habe: »Aber der Bischof und alle sind böse mit mir, keiner glaubt mir, die Leute gehen auf die andere Straßenseite, wenn sie mich sehen. Ich fühle mich exkommuniziert.« Aber dann wird alles aufgedeckt, nicht durch die Kirche, sondern durch die Polizei, die zufällig das Tagebuch des Priesters fand. Es stellte sich heraus, daß er z.B. 1991 in São Paulo einen 13jährigen Jungen vergewaltigt hatte, und – immer nach einer »Therapie« – versetzt, schießlich hier landete. In seinem Tagebuch schreibt er – man sieht im Film seine krickelige Schrift –: »Alter der Jungen: sieben, acht, neun, zehn Jahre, arm, möglichst vaterlos, nur eine Großmutter oder alleinstehende Mutter oder Schwester, wichtig: sich mit der Familie anfreunden. Dem Kind Gitarrenunterricht geben. Kleine Geschenke machen, als Gegenleistung sexuelle Handlungen.« Der Priester Tarcisio wurde 2005 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Der BBC-Reporter fragt sich: Da dieser Fall Tarcisio, wie alle anderen Fälle, dem Vatikan gemeldet wurde, wieso duldet der Vatikan, daß er nun, immer und immer wieder versetzt, schließlich hier neben Dona Elza da Silva landet und das von ihm vergewaltigte Kind deswegen nicht mehr leben will?
Gezeigt in dem BBC-Film wird der Dominikaner und Kirchenrechtler Tom Doyle, der »eine hohe Position im Vatikan in Aussicht hatte«, aber 2003 aller kirchlichen Ämter enthoben wurde, weil er den Inhalt der Geheimschreiben öffentlich machte. Er erklärt in dem Film: »Die Geheimschreiben dienen ausschließlich dem weltweiten Schutz der Täter, die ständig, um Skandale für die Kirche zu vermeiden, nach einer Therapie in eine andere Pfarrei versetzt werden, und haben eine totale Justizbehinderung für die staatlichen Gerichte zur Folge.« Er sagt: »Die Geheimschreiben beinhalten nichts über Hilfe für die Betroffenen.« Und dann ist da die Szene, wo der BBC-Reporter den Staatsanwalt in Phoenix (Arizona) Rick Romley aufsucht, der ihm einen großen Briefumschlag zeigt mit Schriftstücken über Priester, die inzwischen zum Teil per Interpol gesucht werden, den er an Kardinal Sodano (Vorgänger des jetzigen Kardinalstaatssekretärs Bertone) geschickt hatte, und den er ungeöffnet zurückerhielt. Auf dem Umschlag konnte man lediglich in verschiedenen Sprachen lesen: »retour, rinvio, refuse« – also Annahme verweigert. Daß jede Krokodilsträne der beiden letzten Päpste über die Pädophiliefälle eine verlogene Inszenierung ist, daß die deutschen Medien dieser Täuschung fast ausnahmslos erlegen sind, bewies der Sprecher in den ARD-Fernsehnachrichten am 20. April 2008. Er sagte vorwurfsvoll: »Der Papst hat sich bei den Mißbrauchsopfern entschuldigt und mit ihnen gebetet, was die Bischöfe nicht konnten!« Die Bischöfe, die »Scheinheiligen« laut Spiegel, und der Papst, der HEILIGE VATER. Es war tatsächlich das FernSEHEN, und zwar der italienische Vatikansender Telepace, der mir 2002 die Augen geöffnet hat, daß wir alle belogen werden. Das war die Zeit, als Papst Johannes Paul II. Krokodilstränen über die Pädophiliefälle vergoß und als Kardinal Bernard Francis Law von Boston reuig vor ihm kniete und sein Amt dem Papst zurückgab, weil er durch ständiges Versetzen der Priester und durch Verheimlichung vor den staatlichen Behörden großen Schaden angerichtet hatte. Ich hatte Reueszenen schon öfter gesehen, z.B. bei einem schwarzen Erzbischof, der eine Koreanerin der Munsekte geheiratet hatte und nun reuig vor dem Papst kniete. Und ich hatte gesehen, wie der Papst ihn dann aufhebt und anschaut – vorwurfsvoll immer noch, aber verzeihend, weil der Sünder ja bereut hat. (Inzwischen ist er wieder mit seiner Koreanerin verheiratet.) Aber diesmal war in Großaufnahme auf dem Gesicht des Papstes etwas anderes zu sehen, und ich war schockiert: Das war der Blick eines Komplizen. Er sah den Kardinal Law an wie einen, der nichts verraten hatte. Da war eine Entente cordiale zwischen den beiden, ein herzliches Einverständnis… Kardinal Law bekam ein hohes Amt im Vatikan, das er auch heute noch innehat. Kardinal Law hatte den Papst nicht verraten, er hatte nach seinem Willen, d.h. gemäß Geheimschreiben, die Vertuschung der Pädophiliefälle praktiziert. Mit den meisten irischen Bischöfen scheint es anders als mit Kardinal Law zu verlaufen: Die Bischöfe werden nicht allesamt zurücktreten, wo sollte auch der Papst eine solche Menge von Bischöfen hernehmen, da in Irland jeder Dritte Bischof zu sein scheint. Und alles geht dann weiter, wie in den Geheimschreiben in ihren Tresoren verlangt.Dank an die Jesuiten
Eine Gruppe war mir zunächst undurchschaubar: Die Jesuiten, die ich immer besonders geschätzt habe, wie es auch der Mathematiker und Philosoph Descartes (1596–1650) tat. Dieser lobte bis zu seinem Lebensende La Flèche, das Jesuiteninternat, in dem er erzogen worden war; er empfahl es sogar einem Hugenotten (Protestanten), der für seinen Sohn die beste Erziehung suchte, als das beste Internat in Europa. Ausgerechnet diese Jesuiten, diese hervorragenden Pädagogen, haben sich jetzt selbst ans Messer geliefert. Sie treten reihenweise als »Mitwisser« zurück, nachdem sie alle ehemaligen Schüler anschrieben mit der Frage, ob vielleicht jemand von ihnen von einem Jesuiten mißbraucht worden sei. Und so hieß es am 16. Februar am Schluß der erwähnten 20-Uhr-Tagesschau: »Zu den Mißbrauchsfällen an Jesuitenschulen in Deutschland sagte der Papst nichts.« Ich auch nicht, ich stand vor einem Rätsel – bis ich las, daß der Jesuitenprovinzial Stefan Dartmann SJ alle Jesuiten weltweit, die Kinder mißbraucht haben, aufruft, sich selbst anzuzeigen. Es ist nicht zu erwarten, daß am heutigen Montag die deutschen Bischöfe auf ihrer Konferenz zurücktreten werden, um künftig einem ehrlichen Beruf nachzugehen. Ich danke den Jesuiten, daß sie jetzt alle Schuld auf sich nehmen und sich zum Sündenbock machen.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/02-22/004.phpPosted via email from Bibel
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